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27.03.2023

Wie hast du´s mit der Klimakrise?

Spannender Austausch in multi-ethischer Runde

Im Rahmen des Projekts CLEANcultures diskutierten rund 40 Teilnehmende unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Weltanschauungen über die Verantwortung des Menschen in Zeiten der Klimakrise.

 

Am 14. März 2023 lud das Institut LIFE mit freundlicher Unterstützung der Stadt Graz in das Grazer Stadtmuseum ein, um in offener Runde über die Frage der Verantwortung des Menschen in Zeiten der Klimakrise zu diskutieren.

 

  • Welches Handeln ist angesichts des menschengemachten Klimawandels moralisch richtig?
  • Hat jeder Mensch die Verantwortung zum Klimaschutz?
  • Welchen Platz nehmen wir als Menschen in der Natur ein?

Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen dieses multi-ethischen Polylogs reflektiert.

 

Eröffnet wurde die Diskussion mit Inputs zu Sichtweisen aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen, von Michael Aldrian (Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft), Khalilullah Azimi (Islam), Daniela Felber (Katholische Kirche Steiermark), Schlomo Hofmeister (Oberrabbiner Graz).

 

Unter Moderation von Leopold Neuhold (Institut für Ethik und Gesellschaftslehre der Universität Graz) fand ein angeregter Austausch mit interessierten Grazer*innen statt. Neben der Eigenverantwortung und der Verantwortung für die Gemeinschaft und die nächste Generation wurden auch spirituelle Gesetze, die Unterstützung von informiertem Handeln durch die Glaubensrichtungen sowie Konsumorientierung als Form der Weltanschauung besprochen.

 

Dabei waren sich die Teilnehmenden einig, dass Klima- und Umweltschutz als Auftrag aller Glaubensrichtungen betrachtet werden muss. Insgesamt wurde es als sehr positiv wahrgenommen, dass unterschiedliche Glaubensrichtungen zusammenkommen, um konsensorientiert zu diskutieren und gemeinsam positiv Stellung zum Klimaschutz zu beziehen.

 

Michael Aldrian

 

Statement von Mag. Michael Aldrian, ÖBR

 

Der Buddha sprach vor mehr als 2500 Jahren bereits von „gegenseitig abhängigem Entstehen, Bestehen und Vergehen“ (pratitya samutpada).

 

Dabei verwies er auf die gegenseitige Bedingtheit allen Lebens und auf unsere Verantwortung allem Lebendigen – vor allem, wenn es „bewusstes“ Leben ist – gegenüber. Denn wir sind nichts anderes als ebendies: Fühlende Lebewesen, bedingt durch Geburt und Tod, abhängig von Nahrung, Kleidung und Behausung, von der Zuwendung unserer Nächsten und der Abwesenheit unserer Feinde. (Zitat leider nicht belegt…) 

 

„Was immer es an Freude gibt auf der Welt, entspringt dem Wunsch nach dem Wohle der Anderen; was immer an Leid (dukkha) ist auf der Welt, entsteht aus dem Wunsch nach eigenem Wohl.“ (Shantideva, Bodhicaryavatara 8.129; 8. Jh. C.E.)

 

Auch eine frühe Form der „Evolutionstheorie“ enthält die Lehre des Buddha bereits: Die drei Merkmale des Daseins sind Un-Beständigkeit [1] , Un-Vollkommenheit [2] und Un-Persönlichkeit [3]. Sowohl im Kontext des Lebendigen, wie auch bezogen auf das gesamte Universum…

 

Das sagte Buddha bereits viele Jahrhunderte vor den drei „großen Kränkungen“ (die Sonne steht im Zentrum, der Mensch ist mit dem Affen verwandt, das „Ich“ ist nicht der Chef) des westlichen Weltbildes.

 

Das Lebendige als Anhäufung (Skandha) von Molekülen mit Bewusstsein (nama- rupa) zu verstehen fällt uns heute bereits etwas leichter. Dass alles, was zusammengesetzt ist auch wieder auseinander fallen wird – vulgo: Tod – verdrängen wir hingegen gerne.

 

Das Zusammenspiel des Lebendigen, die „Biosphäre“ wird mittlerweile als bedingt und vergänglich (Ökosysteme, Nahrungs- und Stoffkreisläufe) betrachtet.

 

Bis ins vorige Jahrhundert haftete diesen Lehren aber der schale Nachgeschmack des Pessimismus an, der dem Buddha und seiner Lehre umgehängt wurde.

 

Einsicht in die Natur der Dinge bedeutet eben sich seiner eigenen Vergänglichkeit und jener des gesamten Gefüges, welches wir „Welt“ nennen, bewusst zu sein. Da wir selber in alles eingebunden sind, geht auch nichts verloren (entsprechend dem Energieerhaltungssatz), allerdings können die Veränderungen auch lebensfeindlich sein (menschengemachte Klimakrise).

 

Es ist der Wille (cetana), den ich als Karma bezeichne; über den Willen handelt man mittels Körper, Sprache und Geist. (Dhammapada, Worte des Buddha)

 

Wir sind Teil einer Illusion, die wir selbst bestimmen, es gibt also keinen Grund Strafe für unsere Fehler zu erwarten: Diese Einsicht könnte uns dazu verführen auch die Verantwortung für unser Denken, Reden und Tun zu relativieren und einem platten Materialismus zu folgen, dem künftige Erscheinungen [4] gänzlich gleichgültig sind.

 

Hier kommt Karma (Tat) ins Spiel, ein oft als „Schicksal“ missverstandener Begriff.

 

"Eigner der Werke, Brahmane, sind die Wesen, Erben der Werke, Kinder der Werke, Geschöpfe der Werke, Knechte der Werke: das Werk scheidet die Wesen ab, nach Verkommenheit und Vorzüglichkeit.“ (M. 135) [5]

 

Karma ist die Grundlage für alle Entwicklung: günstige Ursachen erzeugen positive Auswirkungen, ungünstige Ursachen negative Auswirkungen.

 

Veränderung ist der Motor aller Entwicklung. Es gibt keine Beständigkeit außer der Unbeständigkeit.

 

„Wenn du dein vergangenes Leben kennen möchtest, dann sieh dir deine gegenwärtigen Umstände an; wenn du dein zukünftiges Leben kennen möchtest, dann schau deine gegenwärtigen Handlungen (Karma) an.“ (Padmasambhava, 8. Jh. C.E.)

 

Dies ist ein Aufruf zu ethischem, verantwortlichem Handeln, das gemeinsam mit den Techniken der Meditation zu „günstiger Fährte“ führt.

 

Kurz gefasst: „Meide Unheilsames, tue Heilsames und zähme deinen Geist.“

 

Dies ist die kürzeste Fassung der Lehre des Buddha und Angebot über alle religiösen und weltanschaulichen Differenzen hinweg, auf das gemeinsame Wohl aller fühlenden Wesen zu achten.

 

[1] Unbeständigkeit (p.: anicca; skr.: anithya) auch Vergänglichkeit, Wandel.

[2] Unvollkommemheit (p./skr.: dukkha; meist - einengend - mit „Leid“ übersetzt), Mangel, Frustration

[3] Unpersönlichkeit (p.: anatta; skr.: anatman; keine Seele), eine substanzielle, wirkliche, dauerhafte Persönlichkeit, Seele, ein Selbst kann nicht gefunden werden.

[4] vulgo: „Zukunft“, jener unserer Nachkommen und der Biosphäre des Planeten

[5] Brahmane: Synonym für „dem Heilsweg folgender Mensch“; Werke: Synonym für Taten (Karma); „M" steht für Majihima Nikaya, die mittlere Sammlung der Lehrreden Buddhas.

 

Konkrete Beispiele im Sinne der heutigen Ökologiebewegungen etc. gibt es wenige, aber eine Menge historischer Beispiele von Tierrettungen (Freikaufen von Schlachttieren wird heute immer noch praktiziert).

 

Burmesische Bauern folgten der Regel: "Was vor sieben Generationen gesät wurde, erntest du heute und was du säst, werden noch sieben Generationen nach dir ernten“. 

 

Schutz von Wildtieren, Wiederaufforstung verödeter Landstriche (Thailand) und einen wegweisenden Pionier der Landwirtschaft ohne Einsatz von Pestiziden und schweren Maschinen. 

 

Masanobu Fukuoka: Der große Weg hat kein Tor (engl.: The One-Straw Revolution, 1975; Pala Verlag, 2013). 

 

All dies steht unter dem Zeichen nicht mehr zu nehmen, als die „Natur“ uns gibt, eine brauchbare Maxime für die nächsten Klimaschutz-Verhandlungen...

 

Mag. Michael Aldrian ist buddhistischer Religionslehrer und Repräsentant der ÖBR für die Steiermark, Lehrbeauftragter für Buddhismus an der KPH Wien/Krems und Yogalehrer an der Urania Graz. Engagiert im Interreligiösen Dialog begleitet er auch interessierte Öffentlichkeit, die Etwas über Buddhismus wissen möchte, im Rahmen von Führungen und Vorträgen zu buddhistischen Themen.

 

Redaktion und Fotos: JOANNEUM RESEARCH/ÖBR



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