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10.01.2021

Interreligiöse Eröffnung der Ethikseminarreihe „Gesundsein und Kranksein“

Unter der Leitung von Universitätsprofessor Dr. Johannes A. Hainfellner wurde am 30.9. im AKH die transdisziplinäre Seminarreihe „Gesundsein und Kranksein“ der Med-Uni Wien eröffnet.

 

Dabei gaben Vertreter von Religionsgemeinschaften Statements zum Thema „Stärkung im Kranksein und im Gesundwerden/Gesundsein durch die Religion ab.“

 

ÖBR-Präsident Gerhard Weissgrab betonte in seiner Stellungnahme, dass Geburt, Alter, Krankheit und Tod, also die Erfahrung des ständigen Werdens und Vergehens, einen sicheren Bestandteil allen Lebens bilden: „Jede Existenz ist a priori unvollkommen und daher auch leidhaft. Es geht darum, das anzunehmen, denn nur was ich annehme, kann ich auch loslassen!“

 

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Hier die Statements im Wortlaut

 

Buddhistisches Statement von Gerhard Weissgrab: Der Hauptzweck der Buddha-Lehre besteht darin, alle fühlenden Wesen vom Leiden zu befreien. Da dies ein langer, mühsamer Weg ist, darf ich hier in aller Kürze nur einige wesentliche Punkte ansprechen.

 

Alter, Krankheit und Tod waren die Erfahrungen, die Siddharta Gautama machen musste, als er die ersten Male, als junger Mann, die Geborgenheit seiner schützenden Palastmauern verlassen hat. Er wurde dadurch so erschüttert, dass er sich auf den Weg machte, um nach Befreiung daraus zu suchen.

 

Als ihm dann viel später, als er bereits der erwachte Buddha war, eine junge Mutter aufsuchte, die durch den Tod ihres neu geborenen Kindes für sie unerträgliches Leid erfahren hatte, sagte er zu ihr: „Ich kann dir nur helfen, wenn du ins nächste Dorf gehst und mir von jedem Haus ein Senfkorn bringst, in dem noch niemals ein Mensch verstorben ist.“ Erst nach vielen langen Stunden kam Gotami, so hieß die junge Frau, zum Buddha zurück. Ohne ein einziges Senfkorn. Trotzdem fand ihr Leiden eine andere Perspektive und damit auch Trost. Sie hatte erkennen müssen, dass Alter, Krankheit und Tod einen sicheren Bestandteil allen Lebens bilden und es daher auch kein Haus geben kann, ohne die Erfahrung des ständigen Werdens und Vergehens, also auch der Erfahrung von Geburt, Alter, Krankheit und Tod.

 

Niemand, kein Wesen möchte leiden, alle wünschen sich Wohlergehen. Nachdem aber – wie es in der „Ersten Edlen Wahrheit“ der Buddha-Lehre heißt – jede Existenz a priori unvollkommen und daher auch leidhaft ist, geht es darum, das anzunehmen. Nur was ich annehme, kann ich auch loslassen!

 

Islamisches Statement von Erkan Erdemir: Gesundheit, sie wird wertgeschätzt, wenn sie einen verlässt. Sowie Vieles auf dieser Welt, wird der Wert des Verlorenen viel zu spät erkannt. Krankheiten ermöglichen Menschen sich wieder auf die wesentlicheren Dinge im Leben zu konzentrieren.

 

Im Islam werden Krankheiten als Chancen angesehen. Chance um einen Neuanfang zu machen, Chance zur Erlösung von Sünden. Krankheiten sind keine Strafen, sie sind Möglichkeiten, die Seele von den Fehlern zu befreien. Eine Chance, Dankbarkeit zu zeigen. Chance für eine Änderung. Chance um die Herzen anderer Menschen zu berühren, indem sie an das Wichtige im Leben erinnert werden. Und zwar an die Gesundheit. 

 

Abschließen möchte ich mit den Worten des Propheten Muhammed (Friede sei mit ihm): „Nichts sucht den Gläubigen an Erschöpfung, Krankheit, Sorgen, Leid, Schmerz oder Trauer heim,  nicht einmal ein Dornenstich, ohne dass Gott dadurch etwas von seinen Fehlern tilgt.“

 

Jüdisches Statement von Willy Weisz: Im 3. Buch Mosis steht, dass der Mensch durch Befolgung der g‘ttlichen Vorschriften leben wird. Somit wird das menschliche Leben und in Folge die Gesundheit ins Zentrum des jüdischen Glaubens gestellt. Im 4. Buch Mosis finden wir die Aufforderung „wähle das Leben“. Damit wird den Menschen aufgetragen, sich seine Gesundheit ein zentrales Anliegen sein zu lassen.

 

Auch die Gesellschaft hat damit die Aufgabe, das Individuum darin zu unterstützen, indem Ärzte, therapeutisches und Pflegepersonal ihr Bestes geben. Auch Verwandte, Freunde und Bekannte sollen, soweit sie können, Erkrankte beim Heilungsprozess unterstützen. Und Institutionen des Gesundheitswesens haben ihren Teil dazu beizutragen, dass so viele Menschen wie möglich in den Genuss der Errungenschaften der modernen Medizin kommen.

 

Einige Gruppen hinterfragen, ob der Mensch eingreifen darf, wenn G'tt oder die Natur eine krankhafte Bedrohung der Gesundheit zulässt. Nach jüdischer Vorstellung ist der Kampf gegen Krankheiten sehr wohl erlaubt, und sogar gefordert. Im zweiten Buch Mosis finden wir den Satz „Ich bin der Ewige, dein Heiler“ und in der Schöpfungsgeschichte steht, dass der Mensch im „Ebenbild“ G'ttes erschaffen wurde. Eine der Eigenschaften, die in diesem Ebenbild auf den Menschen übertragen wurde, ist die Fähigkeit zu heilen oder besser zu lernen, wie man immer besser im Verstehen und Therapieren von Krankheiten wird.

 

Der Einzelne ist jedoch für seine Gesundheit nicht nur in seinem eigenen Interesse verantwortlich, sondern auch damit er seine Mitmenschen nicht mit eigenen Krankheiten, die er verhindern kann, ansteckt.

 

Christlich-evangelisches Statement von Marietta Geuder-Mayrhofer: Luther kannte Schmerzen sehr gut und aus leidvoller eigener Erfahrung. Er deutete sie in der Tat theologisch, als Herausforderung des Glaubens oder als Notwendigkeit, in diesem Leben das Kreuz zu tragen. Aber Krankheit sieht er nicht grundsätzlich als Strafe Gottes, das würde seiner Theologie von der Rechtfertigung allein aus Glauben widersprechen. Es geht nicht darum, was der Mensch tut, sondern um das, was Gott tut und wirkt und das ist Lebenszusage, Gnade.

 

Jesus selbst hat ja gelitten, auch wenn er "wahrer Mensch und wahrer Gott" war. In Jesus Christus offenbart sich Gott ein für alle Mal als ein liebender Gott, der den Menschen begleitet durch die tiefen Täler des Lebens. Gott schickt nicht Strafe und Leid. Und Gott verlässt uns nicht, wenn wir leiden. Gerade dann können wir uns Gott anvertrauen.

 

Wir können uns Gott mit all unseren Verwundungen und Verletzungen, den Ängsten und Schmerzen anvertrauen. Das hat Jesus Christus verkündigt, dafür hat er gelebt und ist er gestorben.

 

Jesus hat aus dem Schrei der Gottverlassenheit zurückgefunden zum Gottvertrauen. Nein, das ist kein schneller Weg. Jesus geht offensichtlich mit den Wunden in Gottes Reich.

 

Gerade an den Wunden erkennen die Jüngerinnen und Jünger den Auferstandenen. Darum geht es wohl auch bei uns. Selbst wenn unsere Wunden, unsere Verletzungen, unsere Brüche im Leben heilen, bleiben sie Teil unserer Geschichte. Sie können vernarben, aber nicht aus unserem Gedächtnis getilgt werden. Es gibt kein Leben ohne Brüche, ohne Narben, ohne Schmerz und genau so hat Luther Schmerzen als Teil des Lebens gesehen, so sehr er unter ihnen gelitten hat. Mit dem Wissen, Gott ist da.

 

Zusammengefasst von Margot Käßmann Vortrag: https://www.ekd.de/20140314_kaessmann_palliativtag.htm

 

Christlich-orthodoxes Statement von Nikolaus Rappert: Wann immer wir orthodoxe Christinnen und Christen den Dialog mit Gott suchen, vergegenwärtigen wir uns zunächst, dass wir mit Dem sprechen, Der imstande ist, uns unsere Sünden zu vergeben und unsere Krankheiten zu heilen. Es ist also ein Grundvertrauen da, dass Gott unser Heil möchte. Unser Heil inmitten einer unheilvollen Welt. Es gibt unverschuldetes Leid, es gibt Krankheit. Ebenso wie die persönliche Schuld, die uns niederdrückt. Das alles kennen wir aus unserer Erfahrungswirklichkeit, und niemand ist von solchen Erfahrungen ausgenommen. Vielmehr begleiten sie unser aller Leben. Bald weniger, bald mehr, bald peripher, bald intensiv.

 

Woher aber kommt angesichts dieser menschlichen Erfahrungen das christliche Grundvertrauen, dass es einen Gott gibt, der unser Heil möchte? Eine Frage, die angesichts des Leides viele Menschen beschäftigt. Etwa auch den atheistischen Philosophen Friedrich Nietzsche. Er hat zwar richtig erkannt, dass die Frage nach Gott und die Frage nach dem Menschen irgendwie untrennbar verbunden sind, er hat aber keinen Weg gefunden, die menschliche Erfahrung und die Gewissheit, dass es einen guten Gott gibt, in Einklang zu bringen.

 

Unsere christliche Antwort auf diese Frage besteht zumindest in Zweierlei: Zunächst können wir auch hier auf unsere Erfahrungswirklichkeit bauen: Angesichts all des Übels – woher kommt da die Möglichkeit, Gutes zu tun, woher kommt unsere grundsätzliche Fähigkeit, Leidenden zu helfen, Frieden zu stiften, Unrecht zu vergeben, Trauernde zu trösten usw.? Wir sind als Menschen in der Lage, aus Quellen zu schöpfen, deren Tiefen wir nicht ausloten können. Wenn es also keinen guten Gott gibt – woher dann die Möglichkeit zum Guten? Die christliche Botschaft sagt aber noch mehr: Gott hat sich als der gezeigt, der all dies selbst tut. Er ist die Quelle – und der Weg. In der Menschwerdung Jesu Christi wird Gott sichtbar als der, der uns in der Erfahrung von Not, Leiden, Krankheit und Tod nicht alleine lässt. In seinem Leiden, seinem Sterben und seiner Auferstehung eröffnet sich die Hoffnung, dass wir vom Kranksein in ganzheitlichem Sinn zum Gesundsein in ganzheitlichem Sinn gelangen werden. In diesem Sinn ist Gott auch unser Ziel.

 

Im Dialog mit Gott bekennen wir diese Überzeugungen – sei es im persönlichen Gebet oder im gemeinschaftlichen Gebet – und lassen uns verwandeln zum Heil hin.

 

Christlich (römisch)-katholisches Statement von Simon de Keukelaere: Umgang mit Krankheit - Aus katholischer Sicht sollte die besondere Sorge für kranke Menschen ohne Unterschied zu unserer DNA gehören. Der berühmte Historiker und Anthropologe von der Stanford University René Girard (1923-2015) schrieb: „Die moderne Sorge um die Opfer setzt sich meiner Auffassung nach erstmals mit jenen religiösen Einrichtungen durch, die „wohltätig“ genannt werden. Es begann alles mit dem Hospital [Hôtel Dieu – „Gottes-Herberge“], jener Dependance der Kirche, aus der bald das [moderne] Krankenhaus wurde. Das Spital nahm alle Behinderten, alle Kranken auf, ohne Unterschied der gesellschaftlichen, territorialen oder sogar religiösen Zugehörigkeit. Das Spital erfinden heißt, erstmals den Begriff des Opfers jeder konkreten Zugehörigkeit zu entledigen, heißt, den modernen Opferbegriff erfinden.“

 

Gesundheit ist ein hohes Gut, aber nicht das höchste. Wer krank ist, hat nicht alles verloren, nicht ihre oder seine Würde verloren, der Mensch ist immer Ebenbild Gottes (vgl. Gen. 1). Jesus Christus hat kranke Menschen sogar eine ganz besondere Würde verliehen, weil er sich mit ihnen direkt identifiziert in der wichtigen Erzählung (Parabel) zur „Prüfungsfrage“, die wir in der Ewigkeit gestellt bekommen werden. Christus spricht: „Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. … Was ihr getan habt einem unter diesen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan. (Vgl. Matthäus 25, 35-40)

 

Redaktion und Fotos: Manfred Krejci

 

 

 



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