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Ethikunterricht als Pflichtfach: „Gemeinsame Erklärung“ der Religionsgemeinschaften
Im Rahmen einer Pressekonferenz unterzeichneten heute in Wien Vertreter namhafter Religionsgemeinschaften und Bildungsminister Heinz Faßmann eine gemeinsame Erklärung zum Thema Ethik- und Religionsunterricht.
Im kommenden Herbst wird Ethik als Pflichtfach ab der Sekundarstufe II für all jene Schülerinnen und Schüler eingeführt, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Ethische Grundfragen werden nicht nur im Ethikunterricht, sondern auch im Religionsunterricht behandelt. Mit den Religionsgemeinschaften wurde vereinbart, dass in ihren Lehrplänen ethische Fragen abgebildet werden.
Dazu bekennen sie sich in einer gemeinsamen Erklärung mit Bildungsminister Heinz Faßmann, um die Schülerinnen und Schüler "zu verantwortungsbewusster gesellschaftlicher Mitgestaltung zu ermächtigen“, so die Erklärung. Sie wurde heute von Vertretern der Katholischen Kirche, der Evangelischen Kirche, der Orthodoxen Kirche, der Islamischen Glaubensgemeinschaft, der Israelitischen Religionsgemeinschaft, der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der Buddhistischen Religionsgesellschaft sowie der Freikirchen unterzeichnet.
Lehrpläne als Handreichungen
Die Lehrpläne sind in drei Ebenen aufgebaut, die Ich-Ebene, die Ich-und-Du-Ebene und die Ich-und-die-Welt-Ebene.
- Ich mit mir - Fragen der Identität: Wer bin ich? Was gibt mir Halt? Was sind meine Werte? Was will ich erreichen?
- Ich und du – Fragen des Zusammenlebens: Wie gehen wir miteinander um? Was ist fremd? Wie löse ich Konflikte?
- Ich mit der Welt – Globale Fragen: Wie gehen wir mit der Umwelt um? Was bedeutet die Endlichkeit der Ressourcen? Welche persönliche Verantwortung trage ich dafür?
Die Religionsgemeinschaften stellen die ethischen Fragen ihrer Lehrpläne in Handreichungen dar. Diese werden den Lehrkräften zur Verfügung gestellt und vom Bildungsministerium veröffentlicht.
Bei der Beantwortung dieser ethischen Fragen werden religionsspezifische Sichtweisen dargestellt, aber auch die Sichtweisen anderer Religionen und die des staatlichen Ethikunterrichts. So gelingt es, dass alle Schülerinnen und Schüler mit ethischen Fragen konfrontiert werden, egal, ob sie am Ethikunterricht oder am Religionsunterricht teilnehmen. Die Inhalte werden zum Teil aufeinander abgestimmt. Der Ethikunterricht in der geplanten Form wird außerdem die Möglichkeit schaffen, dass sich Schülerinnen und Schüler ohne Bekenntnis und solche mit unterschiedlichen Bekenntnissen austauschen können.
ÖBR-Präsident Weissgrab: „Keine Religion ohne Ethik!“
Für einen gemeinsamen Weg von Religions- und Ethikunterricht plädiert ÖBR-Präsident Gerhard Weissgrab in seiner Stellungnahme. Damit soll ein Klima der wechselseitigen Befruchtung und des konstruktiven Diskurses geschaffen werden.
Hier sein Statement: „Der Dalai Lama hat mit seiner Aussage, dass Ethik wichtiger sei als Religion, für einige Aufregung gesorgt - auch innerhalb der einzelnen Religionen. Dabei wurde er natürlich auch gehörig missverstanden, weil diese Aussage keinesfalls eine Geringschätzung von Religionen darstellte. Im Gegenteil, er hat bei diesem Interview die Ethik mit Wasser verglichen und die Religionen mit Tee. Leben ohne Wasser, also ohne Ethik, ist nicht vorstellbar. Die Religionen sind bei diesem Vergleich inhaltliche Erweiterungen und Zusätze der Ethik, so wie eben Tee dem Wasser zusätzlich Geschmack verleiht. Was dieser Vergleich aber auch ganz deutlich ausdrückt ist - und das wurde leider völlig übersehen und öffentlich nie diskutiert: so wie es ohne Wasser keinen Tee geben kann, so kann es auch keine Religion ohne Ethik geben.
Gerade als Vertreter des Buddhismus - einer nicht-theistischen Religion - ist mir das besonders wichtig. Aus moderner religionswissenschaftlicher Sicht besteht nämlich das Gemeinsame aller großen Religionen nicht im Glauben an einen Schöpfergott, sondern im Vorhandensein einer spezifischen Ethik.
Leider begehen wir gerade im Westen sehr oft den Fehler, die Dinge in einen Gegensatz zu stellen, anstatt zu erkennen, dass alles voneinander abhängig ist. Daher ist es aus meiner Sicht falsch, wenn wir Ethik und Religion als Gegensatz begreifen, oder Ethikunterricht als ein entweder/oder zum Religionsunterricht verstehen. In Wahrheit soll ein Klima der wechselseitigen Befruchtung und des konstruktiven Diskurses geschaffen werden. Genauso wie es das auch zwischen den unterschiedlichen Religionen geben muss und gibt.
Ich bin überzeugt, dass wir gerade heute, in diesen schwierigen und herausfordernden Zeiten, ohne ausreichende ethische Bildung kein konstruktives Miteinander schaffen werden. Aber genau das brauchen wir und daher ist Religions- und Ethikunterricht kein Gegensatz, sondern ein gemeinsamer Weg für ein besseres Leben und eine bessere Zukunft für alle.“
Gemeinsame Erklärung der Religionsgemeinschaften im Wortlaut
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften geben zu Religionsunterricht und Ethikunterricht folgende gemeinsame Erklärung ab:
Der Religionsunterricht sowie der Ethikunterricht leisten wesentliche, eigenständige Beiträge zur umfassenden Erreichung der Ziele der österreichischen Schule im Sinne von Art 14 Abs. 5a B-VG. Eine enge Kooperation der beiden Gegenstände wird daher ausdrücklich begrüßt und gefördert.
Der Ethikunterricht soll Schülerinnen und Schüler zu selbstständiger Reflexion im Hinblick auf Wege gelingender Lebensgestaltung befähigen, ihnen Orientierungshilfen geben und sie zur fundierten Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Lebens anleiten. In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen philosophischen, weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Traditionen und Menschenbildern soll der Ethikunterricht einen Beitrag zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung leisten.
Im Religionsunterricht verwirklicht die Schule in Form eines eigenen Unterrichtsgegenstandes in besonderer Weise ihre Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten mitzuwirken (Art 14 Abs. 5a B-VG und § 2 Schulorganisationsgesetz).
Der Religionsunterricht ist konfessionell geprägt und hat im Sinne einer ganzheitlichen Bildung ebenso kognitive, affektive und handlungsorientierte Ziele, die den Schülerinnen und Schülern ermöglichen mit sich selbst, ihrer Religion und anderen Konfessionen vertraut zu werden. Dabei werden viele ethische Themen und Grundfragen im Rahmen des Religionsunterrichts aufgegriffen und behandelt, um Schülerinnen und Schüler zu verantwortungsbewusster gesellschaftlicher Mitgestaltung zu ermächtigen.
Um die inhaltlichen Schnittpunkte von Ethikunterricht und Religionsunterricht hervor zu streichen, haben die Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften im Rahmen eines umfassenden Prozesses die ethische Dimension in ihren jeweiligen Religionslehrplänen in Handreichungen zusammenfassend dargestellt. Dabei wurde ein Dreiebenen-Aufbau, nämlich „Ich mit mir“, „Ich und Du“ und „Ich mit der Welt“ orientiert am Aufbau des Lehrplans für den Ethikunterricht herangezogen. Die Religionsgemeinschaften werden die Religionslehrerinnen und Religionslehrer auf diese Dimension der geltenden Lehrpläne im Sinne der angesprochenen Kooperation mit dem Ethikunterricht in entsprechender Form hinweisen. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird die Handreichungen zu den ethischen Dimensionen der Lehrpläne für den Religionsunterricht gebündelt veröffentlichen.
Redaktion und Fotos: Manfred Krejci