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29.01.2021

Aus Angst wird Mut

Die Zukunft ist heute so ungewiss wie schon lange nicht mehr. Die Corona-Krise hat die Karten völlig neu gemischt. Die letzten Monate haben gezeigt, dass Veränderung sehr schnell vor sich gehen kann, wenn der Staat handelt und nicht das Individuum alleine die Verantwortung trägt.

 

Über Nacht steht das gesellschaftliche Leben still. Das hat nicht wenigen Menschen Zeit zur Pause, zum Reflektieren, zum Besinnen auf das Wesentliche gegeben. Der Preis dafür: kein Konsum > keine Produktion > kein Geld. Leider ist der Level des Konsums, zu dem wir gegenwärtig zurückkehren, in keiner Weise nachhaltig.

 

Eine Zukunft für die Menschheit wird es nur geben, wenn wir unseren Konsum und unseren Ausstoß von CO2 drastisch verringern. Das kann gelingen, wenn wir uns auf die Stillung unserer Grundbedürfnisse besinnen. Dazu gehören eine Behausung, Essen, etwas Kleidung und vor allem gute Beziehungen. Genau das wäre möglich, wenn wir weniger arbeiten und weniger konsumieren würden. Um erfolgreich zu reduzieren, müssen wir erkennen, dass wir bereits im Reichtum leben, wenn unsere Grundbedürfnisse gestillt sind! Die Herausforderung für die Politik ist es, diesen Prozess des gesellschaftlichen Wandels so zu gestalten, dass die Arbeitslosigkeit nicht zu stark steigt, denn unzufriedene Massen können zu einer Gefahr für die Demokratie werden.

 

Die Selbstbefreiung vom Überfluss braucht Mut. Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst. Mut entsteht aus Angst, wenn wir uns in sie hinein entspannen, die Angst nicht mehr bekämpfen, sondern trotz, nein, mit ihr weitergehen. Es braucht Angst, um mutig in die Zukunft zu gehen. Angst zuzulassen schärft die Sinne, klärt den Geist, macht uns wach. Wir müssen aufwachen! Es geht um unser Überleben und jenes all der Spezies, die gefährdet sind, auszusterben.

 

Es braucht auch Mut, unsere altbewährten Glaubenssätze zu hinterfragen. Es braucht Mut, sich einzugestehen, dass das Glück nicht im Konsum liegt, nicht in Fernreisen, Schnitzelessen und Autofahren. Glück liegt im Zur-Ruhe-Kommen, im Sich-Einlassen. Glück kommt davon, es nicht mehr zu suchen, vor allem nicht in der Ferne. Glück kommt durch Einsehen, dass wir nicht getrennt sind voneinander und der Welt, sondern miteinander verbunden. Glück heißt, zu Hause anzukommen.

 

Alle Weltreligionen haben Wege bewahrt, das Gute im Menschen zu pflegen und die unheilsamen Kapazitäten im Menschen zu verringern. Im Buddhismus etwa ist das Mittel der Wahl die Achtsamkeitspraxis. Ein Leben in Achtsamkeit macht es möglich zu erkennen, was in uns vorgeht und welche Auswirkung das auf unsere Umgebung hat.

 

Lenken wir doch unsere Aufmerksamkeit dorthin, wo es wirklich wichtig ist! Viel zu oft wird unsere Aufmerksamkeit abgelenkt, sie rutscht förmlich ab von den brennenden, unangenehmen Themen. Das ist so leicht, weil im Grunde niemand leiden möchte. Das Unangenehme annehmen heißt, der Realität, dem es ist, wie es ist ins Auge zu sehen. Das ist der erste Schritt zur Veränderung.

 

Eine zumutbare Zukunft wird es nur geben, wenn wir lernen, unsere Angst in Mut zu verwandeln und das scheinbar Unmögliche zu wagen: die Befreiung vom Überfluss und die Besinnung auf das Wesentliche.

 

Matthias Grümayer

geb. 1985 in Wien. Studium der Religionswissenschaft an der Universität Wien, Grinberg-Praktiker www.kayavidya.com, Buddhist, Mitglied im Orden des Intersein und der Wake Up Sangha Wien, Achtsamkeitstrainer. Interessiert daran, seinen Körper/Geist und die Welt denkend/spürend zu erforschen. Seit März 2020 Papa von Amara.



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